Samstag, 10. März 2012

wenn die presse krieg fordert - ein ausflug ins strafrecht


in der deutschen presselandschaft häufen sich artikel, die mehr oder minder unverholen militärische aktionen gegen den iran bzw. in syrien protegieren. ein unschönes beispiel war kürzlich in der zeit zu finden, als sich herausgeber josef joffe sowie herr jan ross die ehre gaben:


ich hab mir mal die frage gestellt, inwiefern dieser und ähnlich gelagerte artikel strafrechtlich relevant sein könnten.

auf anhieb fallen mir folgende tatbestände ein, die ich im folgenden einer summarischen prüfung unterzogen habe:

§ 80a StGB - Aufstacheln zum Angriffskrieg
§ 80 StGB - Vorbereitung eines Angriffskrieges
§ 130 StGB - Volksverhetzung
§ 131 StGB - Gewaltdarstellung
§ 6 Völkerstrafgesetzbuch - Völkermord
§ 7 Völkerstrafgesetzbuch - Verbrechen gegen die Menschlichkeit

für alle, die keine zeit oder keine lust haben, sich durch die §§ zu arbeiten:

meines erachtens erfüllen zeitungsartikel, die militärische interventionen gegen bzw. in souveränen staaten fordern, protegieren oder gutheißen die tatbestände § 80a StGB, § 131 StGB und stellen eine versuchte anstiftung zu § 7 Völkerstrafgesetzbuch dar. interessant wäre, ob irgendein staatsanwalt in deutschland den hintern in der hose hätte, dies auch so zu beurteilen.

im einzelnen:

§ 80a Aufstacheln zum Angriffskrieg

Wer im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) zum Angriffskrieg (§ 80) aufstachelt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

anmerkung: zeitungsartikel, die einen krieg fordern bzw. für notwendig erachten, dürften den tatbestand des § 80a stgb erfüllen. selbst wenn in den artikeln lediglich ein eingreifen der usa gefordert wird (was für sich allein genommen den tatbestand nicht erfüllt), so dürfte aufgrund der wahrscheinlichen beteiligung der nato und damit auch deutschlands zumindest bedingter vorsatz gegeben sein.

§ 80 Vorbereitung eines Angriffskrieges

Wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.

anmerkung: tatbestand wohl nicht erfüllt; "vorbereiten" ist mehr als "aufstacheln" - sonst wäre der 80a stgb überflüssig.


exkurs "angriffskrieg"

Art 26 GG 
(1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.

"Angriffskrieg bezeichnet die Kriegsführung eines Staates, bei der dieser als Angreifer einen anderen Staat auf dessen Territorium angreift, ohne dass der Angreifer (oder ein anderer Staat) entweder von dem angegriffenen Staat vorher selbst angegriffen worden wäre, ein solcher Angriff unmittelbar bevorstehen würde, oder der angegriffene Staat dem Angreifer den Krieg erklärt hätte oder Teile seines Territoriums besetzt hält." (zitat aus wikipedia)

exkurs ende

§ 130 Volksverhetzung
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.


anmerkung: tatbestand nicht erfüllt. schutzzweck des § 130 stgb ist das friedliche zusammenleben IM staat, daher im falle iran/syrien nicht erfüllt.

§ 131 Gewaltdarstellung
(1) Wer Schriften (§ 11 Abs. 3), die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt,
1. verbreitet,
2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,
3. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder
4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummern 1 bis 3 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

anmerkung: tatbestand erfüllt; kriegshetzeartikel verharmlosen unmenschliche und grausame gewalttätigkeiten. oder sollte krieg keine grausamen und unmenschlichen gewalttätigkeiten implizieren?

§ 6 Völkerstrafgesetzbuch - Völkermord
(1) Wer in der Absicht, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören,
1. ein Mitglied der Gruppe tötet,
2. einem Mitglied der Gruppe schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art, zufügt,
3. die Gruppe unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen,
4. Maßregeln verhängt, die Geburten innerhalb der Gruppe verhindern sollen,
5. ein Kind der Gruppe gewaltsam in eine andere Gruppe überführt,
wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

anmerkung: tatbestand nicht erfüllt, da ein zeitungsartikel den tatbestand rein denklogisch nicht erfüllen kann. anstiftung oder beihilfe bzw. versuchte anstiftung/beihilfe m.e. ebenfalls nicht erfüllt, da ein "normaler" krieg von usa/nato sich nicht explizit gegen o.g. gruppen richtet.

§ 7 Völkerstrafgesetzbuch - Verbrechen gegen die Menschlichkeit
(1) Wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung
1. einen Menschen tötet,
2. in der Absicht, eine Bevölkerung ganz oder teilweise zu zerstören, diese oder Teile hiervon unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, deren Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen,
3. Menschenhandel betreibt, insbesondere mit einer Frau oder einem Kind, oder wer auf andere Weise einen Menschen versklavt und sich dabei ein Eigentumsrecht an ihm anmaßt,
4. einen Menschen, der sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er ihn unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
5. einen Menschen, der sich in seinem Gewahrsam oder in sonstiger Weise unter seiner Kontrolle befindet, foltert, indem er ihm erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, die nicht lediglich Folge völkerrechtlich zulässiger Sanktionen sind,
6. einen anderen Menschen sexuell nötigt oder vergewaltigt, ihn zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
7. einen Menschen dadurch zwangsweise verschwinden lässt, dass er in der Absicht, ihn für längere Zeit dem Schutz des Gesetzes zu entziehen,
a) ihn im Auftrag oder mit Billigung eines Staates oder einer politischen Organisation entführt oder sonst in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt, ohne dass im Weiteren auf Nachfrage unverzüglich wahrheitsgemäß Auskunft über sein Schicksal und seinen Verbleib erteilt wird, oder
b) sich im Auftrag des Staates oder der politischen Organisation oder entgegen einer Rechtspflicht weigert, unverzüglich Auskunft über das Schicksal und den Verbleib des Menschen zu erteilen, der unter den Voraussetzungen des Buchstaben a seiner körperlichen Freiheit beraubt wurde, oder eine falsche Auskunft dazu erteilt,
8. einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art, zufügt,
9. einen Menschen unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt oder
10. eine identifizierbare Gruppe oder Gemeinschaft verfolgt, indem er ihr aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, aus Gründen des Geschlechts oder aus anderen nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts als unzulässig anerkannten Gründen grundlegende Menschenrechte entzieht oder diese wesentlich einschränkt,
wird in den Fällen der Nummern 1 und 2 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummern 3 bis 7 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und in den Fällen der Nummern 8 bis 10 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

anmerkung: tatbestand nicht erfüllt, weil ein zeitungsartikel nicht tatbestansmäßig sein kann. allerdings kommt m.e. eine versuchte anstiftung bzw. versuchte beihilfe in betracht, solange es noch nicht zum krieg gekommen ist; danach anstiftung/beihilfe.

2 Kommentare:

  1. Zitat des Tages aus Zeit online:

    In heimischen Fernsehinterviews hatte Netanjahu kürzlich sein Dilemma gegenüber der israelischen Öffentlichkeit erläutert: "Wir stehen nicht mit der Stoppuhr da", erklärte er, ein Angriff auf den Iran sei keine Frage von Tagen oder Wochen, aber auch nicht von Jahren. Entscheidungen zu treffen sei nicht das Problem, sondern es gehe darum, die "richtige Entscheidung" zu treffen. "Wenn man aber keine Entscheidung trifft und den Iran nicht davon abhält (die Atombombe zu produzieren), wem soll man das dann später erklären? Den Historikern? Den Generationen vor einem, und jenen nach einem, die es dann nicht mehr gibt?"

    Wer ist hier der gemeingefährliche Hetzer? Was würden wir sagen, wenn Ahmadinedschad behaupten würde, man müsse Israel demnächst angreifen, weil die akute Gefahr bestünde, dass die Juden sonst den Iran für immer auslöschen?

    Das Ganze unter der Überschrift: "Warum Netanjahu den Krieg nicht will"

    http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-03/israel-iran-konflikt?commentstart=161#comments

    Diese Kriegshetze ist in der Tat unerträglich es ist ganz offensichtlich, dass hier eine von ganz oben angeordnete Kampagne gefahren wird, leider ist das Zeit-online-Forum derartig voll mit Trollen, die allen Ernstes glauben, man müsse gegen den Iran Krieg führen, weil irgendwer angeblich irgendwas gesagt haben soll, dass eine vernünftige Diskussion unmöglich wird (obiger Artikel wurde natürlich mit der „vipe-out Israel“-Phrase gearbeitet). Es ist unfassbar, sind das alles Gehirnwäscheopfer?

    Aber zurück zum Thema: sind die oben von Dir genannten Straftatbestände "Aufstacheln zum Angriffskrieg" und "Volksverhetzung" erfüllt? Klare Antwort: JA! Problem: Es gibt keine unabhängige Justiz, die ermitteln würde.

    Ich bin mir absolut sicher, dass es Treffen hinter verschlossenen Türen gibt, wo die betreffenden Verantwortlichen ohne das ganze Propaganda-Gesülze ziemlich klare Anweisungen an die Journaille gegeben haben: „Macht mal Stimmung gegen den Iran, damit die Stimmung in der Bevölkerung uns die Option offenlässt, dort einzumarschieren.“

    Die vorgeschobenen Kriegsgründe sind eindeutig gelogen, was sind aber die wahren Ursachen? Es müsste für jeden eine absolute Selbstverständlichkeit sein, diese Frage zu stellen und zwar mit größter Dringlichkeit, es geht schließlich um unseren Arsch!

    Auch darüber wird man sich hinter verschlossenen Türen offen austauschen, es ist nicht möglich eine anspruchsvolle geopolitische Strategie zu entwickeln, ohne dass eine große Zahl von Experten („Strategic Community“)eine ernsthafte Debatte führt, in der die wahren Motive klar benannt werden. Wo man suchen müsste / Verdächtige: CFR, AIPAC, „Project for a new American Century“, Rockefeller, Kissinger, Brzezinski, Cheney, Rumsfeld, Wolfowitz, Bush usw. Die hätten so einiges zu erzählen. Kronzeuge oder lebenslang in den Knast, dann würde man genug 'rausfinden.

    Das wäre die wahre Aufgabe des Verfassungsschutzes: diese Kreise überwachen, aber das tun sie nicht, der Bock ist der Gärtner!

    Wenn der Verfassungsschutz sich Mühe geben würde, diese Dinge aufzuklären, würde es ihm auch gelingen und dann könnte man mit Hilfe der Justiz diese Leute auch hinter Gitter bringen, wo sie hingehören. Aber das passiert nicht.

    Als erstes muss man doch ein Bild von der Lage machen und die möglichen Verdächtigen und ihre möglichen Motive auflisten. Das darf man nicht, das ist VT! Die Lügen und Ausreden der Hauptverdächtigen sind Dogma und Staatsreligion.

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  2. Hier noch mal meine persönlichen Vermutungen zu den Hintergründen:

    Die neokonservativen Falken in Washington und New York sind mit AIPAC und der israelischen Politik derartig verbunden, dass man vermuten kann, dass Netanjahu im Moment für sie die Rolle des Pitbulls übernimmt.

    Peter Scholl-Latour 2009 im ZDF über die US-Politik im Mittleren Osten, die wie mutwillige Brandstiftung wirkt:

    „Schauen wir uns doch mal die Region an: in Afghanistan sind wir dabei, den Krieg zu verlieren. In Pakistan droht ein Auseinanderbrechen des Staates, im Irak ist noch nichts geregelt. Wenn die Amerikaner 'rausgehen wird der Streit zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden wieder los gehen. Und da hat man im Grunde einen ruhenden Pol in der Mitte – will man den auch noch hochputschen?“

    http://www.youtube.com/watch?v=hUU8YmBCAak

    Es sieht so aus, dass die USA gerade den gesamten „Broader Middle East“ in Brand stecken, um dann die Erdölreserven unter ihre militärische Kontrolle zu bringen!

    Die USA sind sind auf dem Weg in den Bankrott, der Afghanistan-Krieg ist ein Fass ohne Boden - man bearbeitet die Öffentlichkeit dahingehend, dass man sich die Option auf den Einmarsch offen hält, dafür behauptet Bibi öffentlich, er hätte große Angst vor einem „atomaren Holocaust“.

    Dirk Müller geht davon aus, dass die US-Oligarchie die Zeit vor dem bevorstehenden Reset des Währungssystems dazu nutzt, um ihr Haus so zu bestellen, dass sie danach überall wieder auf der Pole Position stehen. Libyen, Syrien, Libanon, Iran, Somalia stehen bekanntlich schon lange auf der Agenda:

    http://www.youtube.com/watch?v=EEunZEws2uQ

    Just ten days after 9/11 the Pentagon was given orders by the Bush/Cheney White House to make plans to attack Iraq and 6 other countries:

    http://www.youtube.com/watch?v=gtUfYGBlYSw

    Besonders verdächtig in diesem Zusammenhang:
    "Which Path to Persia? Options for a New American Strategy toward Iran", ein Strategiepapier des Think Tanks "Saban Center for Middle East Policy at the Brookings Institution".

    http://de.wikipedia.org/wiki/Haim_Saban

    "For purposes of this analytic exercise, we assume that a U.S. invasion of Iran is not triggered by an overt, incontrovertible, and unforgivable act of aggression—something on the order of an Iranian-backed 9/11, in which the planes bore Iranian markings and Tehran boasted about its sponsorship...
    Other than a Tehran-sponsored 9/11, it is hard to imagine what would change their minds."

    http://www.brookings.edu/~/media/Files/rc/papers/2009/06_iran_strategy/06_iran_strategy.pdf

    S. 66

    In diesem Papier wird erörtert, wie ein vom Iran ausgehendes 9/11 den Weg freimachen würde für lang ersehnten Einmarsch. Man fühlt sich erinnert an den Think Tank "Project for a new American Century", der bereits 1998 einen Regime-Change im Irak forderte und im September 2000 befand, dass "ein neues Pearl Harbor" notwendig wäre, um den Weg für die geplanten Eroberungskriege frei zu machen.

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